Experimentieren

Was wäre die Fotografie ohne Experimentieren? Und gerade in der Makrofotografie kann man hervorragend experimentieren.

Man kann die verschiedensten Objektive an seine Kamera adaptieren, denn selbst das passende Auflagemaß spielt im Nahbereich keine große Rolle. Eigentlich alle Einstellungen kann man manuell vornehmen, daher ist eine Adaptierung meistens recht einfach.

Ich möchte hier „Spinnereien“ vorstellen, die schöne Ergebnisse versprechen – auch über die Makrofotografie hinaus, und die vor allem Spaß machen!

Telekonverter am Extrem-Weitwinkel

Stürzende Linien in der Weitwinkel-Fotografie sind bekannte Übel. Vor allem bei Architekturfotos werden sie schnell sehr störend. Eine digitale Korrektur ist möglich, reduziert aber natürlich die Auflösung.

Eine Aufnahme mit einem Shift-Objektiv macht da wesentlich mehr Spaß. Allerdings sind gute Shift-Objektive teuer, ja sehr teuer.

Für Nikon z.B. gibt es ein 19mm Tilt/Shift-Objektiv, das mit 3898,-€ (UVP) gelistet ist. Ich hatte mir das einmal bei unserem örtlichen Fotohändler ausgeliehen, um damit zu spielen. Und ja, das macht Spaß. Aber es ist kein „Immer-dabei-Objektiv“, und daher habe ich mich nie überwinden können, es zu kaufen.

Die regelmäßige Internetrecherche ergibt, dass preiswertere Alternativen eigentlich alle irgendwie technische Mängel aufweisen, die einem dann doch den Spaß verderben.

Laowa 12mm f/2.8 Zero-D

Laowa 12mm f/2.8 Zero-D
Laowa 12mm f/2.8 Zero-D

Das änderte sich vor ein paar Jahren, als ich ein Youtube-Video von dem Waliser Christopher Frost sah, der eine ungewöhnliche Objektivkombination testete.

Der chinesische Hersteller Laowa bietet zum einen ein 12mm Weitwinkel (für Vollformat) mit Licht-stärke 2.8 an, das laut Test optisch durchaus gut sein soll. Sogar gut korrigiert, d.h. die 12mm kommen nicht als Fischauge daher. Dieses 12mm Weitwinkel gibt es mittlerweile für verschiedene Kameraanschlüsse, am interessantesten ist es allerdings mit Nikon F- oder Canon FE-Anschluss. Denn für diese beiden Anschlüsse gibt es einen 1,4-fach Telekonverter mit Shiftmechanismus.

Vierstämmige Eiche (Z6 mit Laowa 12mm/2.8, HDR, f8, 1/10 - 1/160, ISO200)
Vierstämmige Eiche (Z6 mit Laowa 12mm/2.8, HDR, f8, 1/10 - 1/160, ISO200)
Laowa Magic Shift Converter
Laowa Magic Shift Converter

Dieser Telekonverter, von Laowa „Magic shift converter“ genannt, vergrößert den Bildkreis um das 1,4-fache. Das macht aus den ursprünglich 12mm Brennweite dann ca. 17mm, ist also immer noch sehr „weitwinklig“. Der damit vergrößerte Bildkreis wird zum Shiften genutzt, so dass man die 17mm mit dem Bildkreis eines 12mm zur Verfügung hat.

 

Der Test bei Christopher Frost zeigt, dass diese Kombination optisch erstaunlich gut zu sein scheint!

 

Der einzige Wermutstropfen: den „Magic shift converter“ gibt es für Canon FE und für Nikon F auf der Objektivseite. Auf der Kameraseite gibt es leider nur einen Anschluss: Sony E.

Als der Konverter vor einigen Jahren herauskam, war das durchaus logisch, denn da gab es bei den vollformatigen, spiegellosen Kameras mit geringem Auflagemaß nur Sony. Im Jahr 2020 sieht die Kameralandschaft anders aus, und technisch einfach möglich wäre z.B. auch eine Version für Nikon Z.

Seit es das Z-Bajonett von Nikon gibt, und besonders seit Laowa auch Objektive für Nikon Z anbietet, habe ich also darauf gewartet, dass sie den „Magic shift converter“ auch für das Z-Bajonett anbieten. Eine Anfrage bei Venus Optics im Frühjahr 2020 gab dann aber eine klare Auskunft: Es gibt keinerlei Bestrebungen, den „Magic shift converter“ für andere Kameraanschlüsse anzubieten. Schade!

Techart Sony E – Nikon Z Autofocus Adapter (TZE-01)
Techart Sony E – Nikon Z Autofocus Adapter (TZE-01)

Da bleibt dem engagierten „Fotobastler“ mit Nikon Z nur eine Option: er bestellt sich einen weiteren Adapter, der Sony E-Mount-Objektive an die Nikon Z adaptiert. Erfreulicherweise ist das Auflagemaß der Nikon Z noch einmal um satte 2mm kleiner als das von Sony. Diese 2mm nutzt der Anbieter Techart, um einen entsprechenden Adapter anzubieten, der sogar die Elektronik eingebaut hat. Diese Elektronik setzt die Autofokussignale von Nikon auf Sony um, so dass Sony-Objektive sogar mit Autofokus an der Nikon Z6 oder Z7 funktionieren.

Das Traumflieger-Team hat damit sogar erfolgreich das Fokus-Bracketing mit einer Nikon Z6 und dem 90mm Makroobjektiv von Sony getestet.

Z6 mit Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Magic-Shift-Converter + Techart TZE-01
Z6 mit Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Magic-Shift-Converter + Techart TZE-01

In dieser Kombination verwende ich jetzt also ein 12mm Weitwinkel mit Lichtstärke 2.8 an dem „Magic shift converter“, der wiederum mit dem Techart TZE-01 an die Nikon Z6 passt und daraus ein 17mm Shift-Objektiv mit Lichstärke 4 macht.

Das alles passt und funktioniert tadellos, und die optische Qualität ist wirklich erstaunlich.

Eine herbe Enttäuschung, als ich die Kombination das erste Mal ausprobieren wollte und die Kamera nicht auslöste, habe ich schnell überwunden: Man muss die Elektronikkontakte abkleben. Sonst schaltet die Kamera auf Autofokus, der aber nicht funktioniert, weil weder der „Magic shift conver-ter“ noch das 12mm Weitwinkel über Autofokus (oder überhaupt eine elektronische Verbindung) verfügen. Der nicht funktionierende Autofokus blockiert das Auslösen.

Die Kontakte habe ich mit einer dünnen ESD-Folie und Tesafilm abgeklebt. Das kann ich jederzeit rückstandsfrei rückgängig machen, wenn ich den Adapter einmal anders nutzen möchte. Eventuell gibt es auch einen passenden Adapter ohne Elektronik, der dann vermutlich sogar preiswerter sein dürfte?


Makro mit Weitwinkel

Man kann diese Kombination auch sehr gut für Makroaufnahmen einsetzen, jedenfalls für nicht ganz zu kleine Motive. Die geringe Naheinstellgrenze für ein 17mm-Weitwinkel ergibt tolle Motivmöglichkeiten.  

Flaschenstäubling mit Buche (manueller Stack aus 40 Einzelaufnahmen, Z6 + Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Laowa Magic Shift-Converter + Techart Adapter, f5.6, 1/8s, ISO100)
Flaschenstäubling mit Buche (manueller Stack aus 40 Einzelaufnahmen, Z6 + Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Laowa Magic Shift-Converter + Techart Adapter, f5.6, 1/8s, ISO100)

Der resultierende Abbildungsmaßstab ist zwar nur ca. 1:3,8, aber vor allem für Blüten oder Pilze lässt sich so die Umgebung in das Bild einbauen. Gerade die Shift-Möglichkeit erlaubt interessante Perspektiven, z.B. der Blick unter die Pilzkappen, ohne dass stürzende Linien im Hintergrund entstehen.

Man benötigt etwas Geduld, denn jede Aufnahme wird einzeln mit dem Drahtauslöser ausgelöst, nachdem man den Fokusring eine kleine Drehung weiterbewegt hat.

Es ist möglich, aber wenig interessant, den gesamten Schärfebereich „durchzustacken“, d.h. das Bild von vorne bis hinten scharf zu rechnen. Im Gegenteil bietet gerade das Spiel mit der Blende in Kombination mit dem Stacken auch beim Weitwinkel die Möglichkeit, einen schönen Schärfe- / Unschärfeverlauf zu kreieren.

Buchenschleimrüblinge im Wald (manueller Stack aus 11 Einzelaufnahmen, Z6 + Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Laowa Magic Shift-Converter + Techart Adapter, f8, 1/4s, ISO100)
Buchenschleimrüblinge im Wald (manueller Stack aus 11 Einzelaufnahmen, Z6 + Laowa 12mm/2.8 + 1,4-fach Laowa Magic Shift-Converter + Techart Adapter, f8, 1/4s, ISO100)

Leopold Schefer:

 

„Umgebung macht erst das Umgebne klar.“


Trioplan

Das Trioplan ist eine uralte Objektivkonstruktion, die bereits 1916 zum Patent angemeldet wurde. Wie der Name bereits vermuten lässt, verwendet das Trioplan drei Linsen, basierend auf dem "Cooke-Triplet". Eine einfache Konstruktion mit all den daraus resultierenden Stärken und Schwächen.

Aktuell wird eine neue Version von Meyer Optik Görlitz für nahezu alle gängigen Kameras verkauft.

 

Dieses Objektiv ist berühmt / berüchtigt für sein "Seifenblasen-Bokeh", d.h. bei Offenblende werden Spitzlichter in der Hintergrundunschärfe zu großen, durchaus scharfen Kreisen.

 

Man mag das mögen oder auch nicht, aber was liegt näher, als diesen Effekt auch einmal im Makrobereich auszuprobieren? 

Das Trioplan ist schon ein sehr spezielles Objektiv. Mit geschlossener Blende (ca. ab Blende 5.6) ist es in der Mitte scharf und kontrastreich. Bei offener Blende 2.8 wird es "flau": Scharfe Kanten überstrahlen und der Kontrastumfang sinkt.

Es benötigt also ein gewisses Maß an Nachbearbeitung in der Tonwertkorrektur. Dafür erhält man ein interessantes und einmaliges Bokeh. Der rein manuelle Fokus ist nicht einfach, vor allem weil gerade bei Offenblende der  lokale Kontrast so gering ist, dass das "Fokus Peaking" der Kamera nicht funktioniert. Man kommt um eine Einstellung über die 100%-Ansicht in der Kamera kaum herum.

 

Das Trioplan ersetzt kein "normales" Objektiv, auch nicht für die Makrofotografie. Leider ist der Einstellbereich des Fokus sehr begrenzt, selbst bei der neuen Bauform. Die Naheinstellgrenze ist mit 90cm viel zu groß, als dass man das Objektiv sinnvoll im Nahbereich nutzen könnte. Dem kann man Zwischenringen oder einem Balgengerät abhelfen. Die oben gezeigten Beispielbilder wurden alle mit dem PB-6 von Nikon aufgenommen.

Der Hintergrund ist ein Stein mit eingeschlossenen Mineralien, der mit zwei Lichtquellen beleuchtet wird.