In diesem Kapitel geht es um das Fotografieren selber. Ich beschreibe als im Prinzip nur, wie ich meine Speicherkarte mit Daten fülle. Es gibt viele Methoden, das zu tun – vielleicht sogar bessere. Aber das, was ich beschreibe, hat den Anspruch, dass ich es selber ausgiebig getestet habe.
Mir geht es hier um die speziellen Aspekte der Makrofotografie, die sich für mich als besonders relevant zeigen.
Das wichtigste bei der Makrofotografie ist die Geduld. Zum einen braucht es Geduld, seine Motive überhaupt zu entdecken. Und zum anderen braucht es noch mehr Geduld, die Kamera in Stellung zu bringen und dann einen brauchbaren Stack zu generieren. Es kann passieren, dass nach der Hälfte des Stacks ein Windstoß alle Aufnahmen unbrauchbar macht. Oder das Insekt bewegt sich oder verschwindet gar.
Manchmal lohnt es sich, solche Teilstacks zu behalten, denn es müssen ja nicht alle Motive von vorne bis hinten durchgehend scharf abgebildet werden. Das nachträgliche Spiel mit Schärfe und Unschärfe ist ja auch eine Stärke des Stackens.
Aber manchmal hilft es nichts: Löschen schafft Platz für neues.
Henri Cartier-Bresson:
„Deine ersten 10 000 Stacks sind deine schlechtesten.“
Ich habe schon interessante Stunden im Garten verbracht, ohne mit einem einzigen brauchbaren Bild „nach Hause“ zu kommen. Allerdings gibt es ein paar Tricks, mit denen man sich selber helfen kann, das Ganze gelassen zu sehen.
Wenn ich wirklich darauf aus bin, Fotos zu machen, dann nehme ich mir zu Anfang ein paar „einfache“ Makromotive vor. Pilze, Blüten oder irgendetwas anderes, das sich nicht bewegt.
Das bringt mich in den „Makromodus“, das heißt, ich teste meine Kameraeinstellungen und übe meine Gestaltungskünste. Und außerdem füllt es meine Speicherkarte, so dass ich jedenfalls nicht ohne Bilder ende, selbst wenn sich nichts anderes mehr ergibt.
Dieses Gefühl, bereits etwas geschafft zu haben, trägt dazu bei „runterzukommen“. Anschließend kann ich dann in aller Ruhe nach spannenderen Motiven suchen.
Diane Arbus:
„Ich habe noch nie einen Stack gemacht, wie ich es beabsichtigt hatte. Sie sind immer schlechter oder besser.“
Es gibt Fotografen (siehe Allan Walls), die schwören auf die Verwendung von Blitzgeräten beim Stacken. Es gibt gute Gründe dafür, die ich nachvollziehen kann. Wenn man im Studio fotografiert, dann kann man mit Blitzen das Licht hervorragend kontrollieren.
Wenn man sowieso mit einem (automatischen) Makroschlitten stackt, dann kann man die Zeit zwi-schen zwei Aufnahmen so bestimmen, dass die Blitze sich gut wieder aufladen können. Zumal man im Makrobereich selten die volle Blitzleistung benötigt, und daher das Aufladen sehr schnell geht.
Trotzdem verwende ich momentan kaum Blitze in meiner Makrofotografie, und ich habe ebenfalls gute Gründe dafür.
Zum einen habe ich vor einiger Zeit gute LED-Taschenlampen entdeckt, die einen ausgezeichneten Farbwiedergabeindex (CRI = Color Rendering Index) besitzen und sich daher hervorragend zu-sammen mit Tageslicht mischen lassen.
Zum anderen benötigt das Fokus-Stacking ja sowieso Zeit.
Wenn ich also meine Aufnahmen mit dem Stativ mache, und das Motiv sich sowieso nicht bewegen darf, dann spielt es keine große Rolle, ob eine Aufnahme mit einer 500-stel Sekunde oder einer 20-stel Sekunde belichtet wird. Daher arbeite ich dann gerne und häufig mit dem natürlichen Licht.
Das ist am einfachsten zu beurteilen. Und wenn man die direkte Sonne meidet (was bei mir ebenfalls häufig der Fall ist), dann gibt es kaum eine bessere Ausleuchtung von Makromotiven.
Reisefotograf J.-W. G. aus W. bei E.:
„Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten.“
Das natürliche Licht ist am einfachsten zu verwenden, und man muss eigentlich darüber auch nicht viele Worte verlieren. Leider aber sitzen Insekten meistens früh morgen oder abends ruhig, und das ist dann auch die Zeit, in der das Licht knapp ist.
Der große Abbildungsmaßstab „frisst“ noch einmal Licht, und dann bin ich froh, dass meine Kamera auch hohe ISO-Zahlen erlaubt. Je nach verwendeter Stackingmethode, kann das Bildrauschen massiv verstärkt oder abgeschwächt werden: dazu komme ich beim Bearbeiten der Bilder.
Jedenfalls erlaube ich mir ohne nachzudenken, die ISO-Zahl auf 1000 hochzudrehen. Wenn es eng wird, dann verwende ich auch ISO 3200.
Im Normalfall arbeite ich beim Stacken vom Stativ aus, und der ganze Vorgang für ein Bild dauert einige 10 Sekunden, so dass sich das Motiv sowieso nicht bewegen darf. Ich benutze den elektronischen Verschluss und versuche meine Blende so einzustellen, dass sich abgesehen vom schrittweise voranschreitenden Autofokus nichts an der Kamera bewegt. Alles in allem machen dann etwas längere Belichtungszeiten kaum etwas aus.
Das natürliche Licht hat den Vorteil, dass es am wenigsten Störungen erzeugt. Es gibt durchaus Insekten, die anfangen, sich zu bewegen, wenn man sie durch das künstliche Licht erwärmt.
Um es vorweg zu nehmen: es gibt keine einfache Regel, die es ermöglicht, „die richtige Blende“ zu finden.
Weder ist die Wahl der Blende einfach, noch gibt es die „eine“ richtige Blende.
Schauen wir uns am besten einmal die "Grenzen" an:
Als erstes sind da die Grenzen des Objektivs: mein Makroobjektiv, ein typisches 105mm-Objektiv bietet mir die maximale Blendenöffnung von 2.8, und es lässt sich bis auf Blende 22 abblenden. Eine Daumenregel besagt, dass es im Normalfall seine beste Schärfe „zwei Stufen abgeblendet“ hat. Das wäre dann also Blende 5.6.
An meinem Vollformatsensor soll die Beugungsunschärfe bei etwa Blende 11 beginnen. Das ist also der Spielraum für die besten Bilder?
Auf diese Frage kann ich nur antworten: das hängt davon ab…
Beispiel:
Das Medical – Nikkor 200mm/5.6 mit eingebautem Blitz erlaubt eine 3-fache Vergrößerung.
Über die beiden Einstellringe stellt man die Blende ein: Im Bildbeispiel links habe ich nicht die volle Blitzleistung, sondern nur ¼ der Leistung gewählt. Mit ISO 200 ergibt sich für 3:1 ungefähr die Blende 32.
Mit fast diesen Einstellungen habe ich das Bild der Ameise unten gemacht:
Die Reduzierung der Belichtungszeit auf 1/160s (anstatt der „üblichen“ 1/60s) und das Abblenden auf f45 wird kompensiert durch die volle Blitzleistung, die ich verwendet habe.
Mit diesen Einstellungen wird der Hintergrund sehr dunkel: Es wurde immerhin am hellen Tag aufgenommen. Die Beugungsunschärfe ist bereits deutlich sichtbar, die trotzdem geringe Tiefenschärfe allerdings eben-falls.
Man muss also ausprobieren, welche Kombination für eine bestimmte Aufnahmesituation des beste Ergebnis bringt. Wenn man mit der Blende spielt, fallen einem aber ein paar vermeintliche Ungereimtheiten auf. Die erste Entdeckung, die vielleicht verwundert, hängt mit der sogenannten „wirksamen“ Blende zusammen.
Mit meiner Nikon-Kamera ist das im Prinzip einfach, denn sie zeigt die wirksame Blende an, wenn Objektive verwendet werden, bei denen die Kamera den Abbildungsmaßstab kennt. Das wiederum ist der Fall, wenn das „Fokus-Bracketing“ funktioniert. Klingt verwirrend, ist aber ganz einfach zu erkennen.
Ich arbeite im Modus „A“ oder „M“, das heißt, ich gebe selber die Blende vor. Wenn ich so bei meinem Makroobjektiv die Blende 2.8 einstelle und dann die Entfernung von unendlich auf den Nahbereich ändere, dann sehe ich, wie sich in der Kameraanzeige die Blende verändert.
An der Naheinstellgrenze, also beim Abbildungsmaßstab 1:1, zeigt mir die Kamera die Blende 5.6 an. Ich kann zwar abblenden, aber nicht weiter aufblenden.
Wie kommt das? Ist die Angabe des Objektivs mit Offenblende 2.8 gelogen?
Der Grund ist – wie oben erwähnt - , dass die Kamera die wirksame Blende anzeigt.
Je größer der Abbildungsmaßstab, desto weniger Licht gelangt auf den Sensor. Das Verhältnis von einfallendem Licht zu dem Teil des Lichts, dass auf dem Sensor landet, wird größer. Dieses Verhältnis wird auch „Apertur“ oder „Öffnungsweite“ genannt: das ist unsere (Offen-) Blende.
Eine "Daumenformel" sagt:
wirksameBlende ≈ ursprünglicheBlende ⋅ (1+Abbildungsmaßstab)
Damit wird aus 2.8 bei 1:1 = 2 mal 2.8 = 5.6
Jetzt noch zwei Stufen abgeblendet für die beste Schärfe, und wir sind bei der wirksamen Blende 11!
Noch interessanter wird es, wenn ich jetzt mit einer Nahlinse weiter vergrößere. Mit der Raynox M-250 komme ich auf eine fast 2-fache Vergrößerung, so dass am Ende meine Offenblende (3 mal 2.8) etwa der Blende 8 entspricht. Angezeigt wird mir aber 5.6 (weil die Kamera ja nicht weiß, dass ich mit einer Nahlinse vergrößere), und eigentlich eingestellt habe ich 2.8.
Das kann alles sehr verwirren, vor allem, wenn man das erste Mal damit zu tun hat. Mir geht es auch nicht um die technischen oder optischen Details, die andere sicherlich besser und vor allem genauer erklären können.
Mir geht es nur darum, zu zeigen, dass es sinnvoll und vielleicht sogar notwendig ist, sich mit seiner eigenen Ausrüstung einmal hinzusetzen und diese Grenzen auszuloten. Was wird eingestellt, und was wird angezeigt? Das ist nicht bei jeder Kamera und mit jedem Objektiv das Gleiche. Und dass sich die Blendenöffnung ändert, wenn ich die Entfernung verstelle, ist vielen Fotografen vielleicht auch nicht wirklich klar.
Weitere Grenzen werden ebenfalls von der Ausrüstung vorgegeben. Während die Spiegelreflexkamera im optischen Sucher immer das Bild mit Offenblende zeigt, blendet die spiegellose Kamera bereits ab bis zu einer maximalen Blende. Bei meiner spiegellosen Z6 ist das die Blende 5.6.
Im Klartext heißt das, Änderungen der Tiefenschärfe über die Blendeneinstellung von 2.8 bis 5.6 sehe ich direkt im elektronischen Sucher. Die abnehmende Helligkeit wird elektronisch ausgeglichen.
Wenn ich weiter als 5.6 abblende, ändert sich die Blende nicht weiter, damit das Bild im Sucher nicht zu dunkel wird. Vermutlich hängt diese Einschränkung auch mit dem Autofokus zusammen, der nur bis zu einer bestimmten Blendenöffnung funktioniert.
Das bedeutet aber, bei einer Blendenöffnung von 5.6 oder größer muss die Kamera beim Auslösen keine Blende schließen, bei kleinerer Blende muss die Blende erst geschlossen werden, bevor der Verschluss ausgelöst wird. Beim elektronischen Verschluss hört man diesen Unterschied: bis zur Blende 5.6 ist die Kamera absolut geräuschlos. Bei einer kleineren Blende hört man, wie vor der Aufnahme die Blende schließt und anschließend wieder öffnet.
Das passiert bei der Z6 leider auch beim Fokusbracketing, d.h. bei 100 Aufnahmen in einer Reihe schließt und öffnet die Blende 100 mal hintereinander. Das scheint mir wenig sinnvoll, aber über die ziemlich unsinnige Implementierung des Fokusbracketing bei der sonst so durchdachten Z6 schreibe ich an anderer Stelle (vielleicht einmal) mehr.
Auf jeden Fall bedeutet dieses Manko, dass ich beim Fokusbracketing versuche, mit der wirksamen Blende 5.6 auszukommen. Wenn ich das Makroobjektiv alleine verwende, dann funktioniert das ganz gut, bedeutet aber, dass ich im Abbildungsmaßstab 1:1 bereits mit Offenblende fotografieren muss, denn wie oben erklärt, wird ja bei Nikon die wirksame Blende eingestellt und angezeigt.
In Kombination mit der Nahlinse führt ein Abblenden auf 8 oder noch besser 11 zu einer wesentlich besseren Bildqualität. Da muss ich dann den langsameren Stack und die zusätzliche Geräuschkulisse in Kauf nehmen.
Einen anderen Aspekt möchte ich nicht unerwähnt lassen: die Gestaltung.
Wie wir alle wissen, hat die Blende einen wesentlichen Einfluss auf den Schärfeverlauf eines Bildes – und das wird auch beim Fokus-Stacking nicht außer Kraft gesetzt. Also auch ein Fokus-Stack sieht anders aus, wenn er mit Blende 5.6 oder 16 gemacht wurde. Letztendlich gehört ja auch die Gestaltung mit Schärfe und Unschärfe zu den wesentlichen Reizen, die das Fokus-Stacking ausmachen.
Ausprobieren
Aus all diesen theoretischen Betrachtungen und den gesammelten Praxiserfahrungen heraus kann ich nur einen Tipp geben: Ausprobieren!
Und das meine ich absolut ernst: ich habe mir für eine bestimmte Kombination von Objektiv / Nahlinse / Zwischenring ein passendes Motiv gesucht und dann verschiedene Durchläufe gemacht.
Sehr gut eignen sich zum Beispiel im Sommer Blüten, die geduldig sind und sich nicht bewegen, auch wenn ich 10 mal stacke. Aber auch bei besonders geduldigen Insekten wiederhole ich den Stack mit geänderter Blende. Speicherplatz kostet heutzutage nur noch wenig, und im besten (oder schlimmsten?) Fall kann ich den ganzen Stack wieder löschen, ohne ihn bearbeitet zu haben.
Es ist natürlich sinnvoll, sich bei solchen Durchläufen auf einen Parameter zu konzentrieren (z.B. die Blende), den man ändert, aber dabei die anderen nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn ich die Blende ändere, hat das Auswirkungen auf ISO-Einstellung und / oder die Belichtungszeit und die daraus resultierende Gesamtzeit für den Stack.
Auf die Auswirkungen hoher ISO-Zahlen und dem damit verbundenen Rauschen komme ich bei der Bearbeitung der Bilder zurück.